Gestrandet am Bahnhof Nirgendwo

Bild des Benutzers florian

Meine Frühstückslektüre ist die Bedienungsanleitung der Heizung. Es sind tatsächlich sämtliche Unterlagen von Handbuch bis Service-Manual vorhanden. Das Ding ist wirklich erstaunlich modern, dafür dass das Teil gut 20 Jahre alt ist. Mit ausgeklügelter Computersteuerung, Sommer/Winter-Umschaltung, Urlaubsmodus und diversen Zeitprogrammen. Ich habs heute mal auf Programm "Familie" eingestellt. Dann wird es am Wochenende etwas später warm. Das Ungetüm und ich, wir sind jetzt beste Freunde.
Ich habe es ja lange vor mir hergeschoben, aber heute muss der Putz von unserer Schlafzimmerdecke runter. Mein Bruder hat mir allerdings erklärt, dass das gar kein Putz ist, sondern alte Leim-Farbe. Die ist sehr feuchtigkeitsanfällig und da hier seit mindestens einem Jahr nicht gelüftet wurde, bröckelt das Zeug nun. Allerdings nicht an allen Stellen und so hab ich in ein paar Stunden nur die wirklich akuten Bereiche entfernt. Aber wenn ich mit dem Spachtel nicht weiterkomme, wird das Zeug da auch nicht einfach so runterkommen. Anschliessend konnte ich dann die neuen Seitenspots an die Wand montieren. Hat zum einen den Vorteil, dass die Kabel dort verdeckt sind, und zum anderen bekommt Kathinka ihre geliebten Funzel-Lampen. Immerhin konnte ich ihr so moderne LEDs unterjubeln. Zum Abschluss dann Fegen, Saugen und Wischen. Der Linoleumboden in Parkett-Optik hat leider einige Stellen, an denen mit schwarzem Lack rumgesaut wurde. Das bekomme ich nicht mehr weg. Trotzdem fühlt sich das Zimmer nun recht sauber an. Ich warte einige Zeit, dass die Feuchtigkeit komplett abzieht, bevor ich die Fussleisten anklebe. Ja, Fussleisten in einem Provisorium. Wenn schon dann richtig. Andernfalls hätte Erik bestimmt Spaß daran, an dem Tapetenende herumzuknibbeln. Ein weiteres Werk vollbracht!
Ach, es läuft Alles so gut!
Ich schnappe das Auto und fahre zum nächsten Supermarkt. Ich brauche mal so richtig fiese Chemie-Reiniger. Auf dem Weg halte ich beim Tierfutterladen und besorge Frettchenfutter und Streu. Im Supermarkt bekomme ich sogar einen Spülmaschinen-Reiniger für meine Rondotella. Auf dem Rückweg noch schnell am Bahnhof halten und das Internet nutzen. Ich bin zufrieden und freue mich über den bisher reibungslosen Ablauf und die Gutmütigkeit meines Hauses.
Aber zu früh gefreut. Ich besuche spät noch den Bahnhof um im Internet zu recherchieren. Das Auto springt nicht mehr an! Mist! Zum Glück sinds nur ein paar hundert Meter nach hause. So lerne ich zu Fuß gleich mal die Gegend kennen.
Und nun? Morgen soll ich meine Familie abholen. Es gibt da ja so eine Nachzugsklausel... Keine Ahnung, was ich machen soll. Ich versuche es morgen bei Licht nochmal.
Hungrig weihe ich den Backofen ein. Es gibt Hotdog Pizza. Mit vollem Bauch und ohne Auto sinkt meine Motivation und kurz gebe ich mich der zwanzigsten Wiederholung einer Simpsons-Folge hin. Aber es gibt immer noch genug zu tun. Zunächst lade ich weiteres Zeug aus dem Anhänger aus. Hier treten auch Kartons mit Küchenzeugs zu Tage. Endlich ein weiteres Handtuch.
Der Teppich im späteren Wohnzimmer soll raus. Da wird dann gewischt und unser gesamter Umzug gelagert. Auch hier kommt der Putz von der Decke. Hier scheint es aber an einer undichten Stelle im Dach zu liegen. Man sieht deutlich die braunen Wasserränder. Immerhin ist die Stelle nicht sehr groß und lässt sich leicht abspachteln. Wenn bei einem ungedämmten Flachdach mit Pappenbelag nach 40 Jahren ein kleines Leck auftaucht, braucht man sich wohl nicht zu beschweren. Wird sowieso im Zuge der Sanierung erneuert...
Na, jedenfalls gleiches Spiel wie immer - Teppich raus, Saugen und Wischen. Der Raum macht einen guten Eindruck. Riecht sogar recht neutral.
Es ist zwar schon spät, aber falls ich morgen doch noch das Auto an den Start bekomme, sollte der hintere Flur, ich nenne ihn jetzt "Der Gang", geputzt werden. Hier ist zum Glück nicht so viel zu tun. Auf der Bodenfliese klebt ein altes Stück Teppichklebeband dem ich mit Nitro zu Leibe rücke. Ansonsten werden hier ein paar Spinnen von der Decke gesaugt und anschliessend Alles gewischt. Ist ja nur eine relativ kleine Fläche.
Und weil es immer noch vor Mitternacht ist, widme ich mich den letzten Bereichen der Küche. Den kleinen Schrank auswischen, den Herd von aussen reinigen. Fühlt sich gut an.
Ein weiterer Tag ist rum und ich bin guten Mutes, dass ich das Haus mit viel Arbeit aus seinem Dornröschen-Schlaf erwecken können werde. Alles wird gut!